Twitter

Gott sei Dank braucht man im Internet keine Müllabfuhr. Das Entsorgungsproblem erledigt sich sozusagen von selbst, denn von all dem Datenschmutz, den die Leute tagtäglich so aussondern, bekommt man als unbescholtener Nutzer glücklicherweise kaum etwas zu Gesicht. Falls man doch mal in die Materie eintauchen will: Die größte digitale Müllhalde für Meinungen heißt Twitter.

Dort hat man 140 Zeichen Platz, um Dinge zu schreiben, die zu belanglos für Statusmeldungen bei Facebook sind, und das Ganze ist dann öffentlich zu sehen. Mikroblogging nennt sich das in Fachkreisen, aber oftmals ist es bloß eine Möglichkeit, noch den unbedeutendsten Zeitgenossen eine Illusion von Wichtigkeit oder zumindest Witzigkeit zu geben.

Zugegeben, im Nahen Osten kann man mit Twitter immerhin noch Revolutionen in Gang setzen. Und vor allem im englischsprachigen Raum gibt es genug Leute, die das Format für witzige und originelle Ideen nutzen. Selbst in Deutschland gibt es immerhin den Twitteraccount von René Pollesch. Aber rechtfertigt das wirklich die Existenz von grauenhaften Wortneuschöpfungen wie „jemanden entfollowen“? Will man tatsächlich wissen, dass irgendwelche langweiligen Leute den langweiligen Tatort langweilig fanden? Müssen wir unbedingt daran teilhaben, wenn alles was schon gesagt wurde nochmal von jedem wiederholt wird?

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten setzen die Meinung Einzelner bei Twitter fälschlicherweise gerne mit der „Meinung des Netzes“ gleich* – auch wenn die meisten Äußerungen dort ungehört verhallen. Denn ums Zuhören geht es bei Twitter nicht so richtig. Vom Effekt her ist das Verfassen eines Tweets bei den meisten Leuten auch nicht wirklich anders, als seine Meinung auf einen Zettel zu schreiben, ihn dann zu zerknüllen und in den Mülleimer zu schmeißen. Der eigene Beitrag geht unter im Ozean der Unwichtigkeit.

Oder etwas positiver ausgedrückt: Twitter ist die Raucherecke des Internets. Man kann dort ganz gut mit irgendwelchen dahergelaufenen Leuten einen kurzen Plausch führen und sich die Zeit vertreiben, aber kurz danach fühlt man sich schmutzig, weil man zu viel Dreck in sich aufgenommen hat.

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* Spoiler: In Wahrheit ist im Internet inzwischen das Sammelsurium an schlimmen und schlauen Meinungen zu finden, das die Bevölkerung nun mal so mit sich herumträgt.

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