Anonymous

Eines muss man den Internetaktivisten lassen: Wenigstens klingeln sie einen nicht morgens aus dem Schlaf, um dann mit Guy Fawkes-Maske vorm Gesicht und Laptop unterm Arm vor der Tür zu stehen und Sachen zu sagen wie: „Wir möchten mit Ihnen über Freiheitsrechte sprechen!“ Stattdessen hocken sie lieber vor ihrem Computer und legen beispielsweise die Seite eines Unternehmens lahm, das etwas gemacht hat, was ihnen nicht passt. Die bekannteste Gruppierung dieser sogenannten Hacktivisten (eine Mischung aus Hacker und Aktivisten) trägt den Namen Anonymous.

Wer sich hinter Anonymous verbirgt, lässt sich naturgemäß nicht genau sagen. Jeder kann in dem führerlosen Kollektiv mitmachen, gewisse Hackerkenntnisse und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn vorausgesetzt. Los ging es auf dem Imageboard 4chan, einer Plattform, auf der man anonym Bilder mit anderen Nutzern teilen kann. Was als Spaß und Unterhaltung begann, wurde bald politisch. Zuerst wurden Seiten von Scientology attackiert, später setzte sich Anonymous gegen Zensur im Internet und für Informationsfreiheit ein.

Die Auslöser und Gegner ihrer Aktionen, bei denen meist Seiten mit Anfragen überhäuft werden, bis sie zusammenbrechen, sind vielfältig. Darunter befand sich etwa sowohl das FBI, nachdem aufgrund von Urheberrechtsverletzungen das Downloadportal Megaupload geschlossen wurde, als auch Kreditkartenfirmen, die die Kooperation mit Wikileaks verweigerten. Aber auch RTL wurde im Namen von Anonymous mal gedroht, als der Sender einen Beitrag brachte, in dem Computerspieler abfällig dargestellt wurden.

Die Anonymous-Bewegung zeigt, dass es neben Schwarmintelligenz á la Wikipedia auch so etwas wie Schwarmzorn gibt. Es ist eine neue Form von Protest, bei der man das Gefühl hat, mehr zu tun als bloß inmitten eines Haufen anderer Leute ein Schild durch die Gegend zu tragen. Wie groß die Macht von Anonymous tatsächlich ist, lässt sich allerdings schwer sagen. Arbeitgeberverbände und Prokrastinationsopfer hoffen jedenfalls weiter händeringend darauf, dass die Hacktivisten irgendwann Facebook ausschalten, damit sich die Leute endlich wieder um sinnvolle Dinge kümmern können.

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