StudiVZ

Man kann ja nicht immer nur nach vorne schauen, stattdessen werfen wir an dieser Stelle mal einen Blick in die Vergangenheit des Internets. Die Jüngeren werden sich vielleicht nicht mehr daran erinnern, aber es gab eine Zeit, in der nicht jeder in Deutschland bei Facebook war. Damals, in der grauen Vorzeit, vertrieb man sich die Zeit stattdessen bei StudiVZ.

Was man dort genau machte, lässt sich aus heutiger Sicht gar nicht so genau sagen, denn es gab ja eigentlich kaum Funktionen. Beziehungsweise genauso viele wie bei Facebook ca. im Jahr 2005 – nur in rot statt in blau. Doch eine Weile lang sah es tatsächlich so aus, als handele es sich bei dem ziemlich dreist abgekupferten sozialen Netzwerk um eine deutsche Erfolgsgeschichte. Aber mal ehrlich, schon dieser ungelenke Name mit der beamtenhaften Abkürzung am Ende – das konnte langfristig doch gar nicht gutgehen. Das hätte eigentlich auch der Holtzbrinck-Konzern merken müssen, bevor er das Unternehmen 2007 für sagenhafte 85 Millionen Euro kaufte.

Nach dem rasanten Aufstieg ging jedenfalls auch der Abstieg ziemlich schnell. 2011 wurden die ersten Nachrufe auf StudiVZ verfasst, sozusagen noch während des Wachkomas. Anderseits wurde der Seite zwar bereits für Mitte 2012 der Tod durch die Abmeldung sämtlicher Mitglieder vorausgesagt, aber irgendwie ist sie immer noch da. Wahrscheinlich haben viele Leute inzwischen einfach vergessen, dass sie noch einen StudiVZ-Account haben, oder es ist ihnen schlichtweg zu mühsam, sich endgültig abzumelden. 2014 hat mir übrigens nicht mal mehr die VZ-Moderatorin Lea zum Geburtstag gratuliert. Sieht ja auch etwas traurig aus, wenn sonst das ganze Jahr über nichts auf der Pinnwand passiert.

Dennoch hoffe ich inständig, dass StudiVZ auch in Zukunft noch existieren wird! Schließlich gibt es etwas, dass in einer Welt ohne das (nicht mehr ganz so) soziale Netzwerk von gestern fehlen würde: Diese bestimmte Art von Humor zum Beispiel, der sich in den unzähligen bescheuerten Gruppen ausdrückte („Fahr doch da vorne du Spast! – Wir fluchen in der Geisterbahn“, „True Metal Mädchenkammerchor der Kreismusikschule Bautzen“, „Es gibt bessere Partys als das Rügenwalder Mühlenfest“).

Aber nicht nur deshalb hoffe ich, dass StudiVZ der Welt erhalten bleibt. Es ist doch schön, dass es in der hektischen Internetwelt mit all ihren schnelllebigen Trends einen Platz gibt, an dem rein gar nichts passiert. Ein Ort, an dem man allein sein kann, ein Ort für Ruhe und Kontemplation, ein Friedhof des Internets.

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